Saatgut alternativer Baumarten für Bayern

Zapfenpflücker Tibault Dietlin Quer

Hintergrund

Wetterextreme und Schadorganismen schädigen zunehmend immer größere Waldflächen. Zur Erweiterung der Baumartenpalette und Streuung des Risikos auf mehrere Baumarten sind heimische Haupt- und Nebenbaumarten, aber auch nichtheimische Baumarten für Bayern zunehmend von Bedeutung.

Der Bedarf an Saatgut dieser Baumarten steigt stetig. Entscheidend für den Anbauerfolg bei allen Baumarten ist neben der Verwendung von hochwertigem und herkunftssicherem Vermehrungsgut vor allem die Wahl der geeigneten Herkunft. Die Saatgutversorgung soll für alle Waldbesitzarten möglich sein. Doch wie kann dies sichergestellt werden, damit zeitnah praxisrelevante Erkenntnisse zur Eignung dieser Baumarten gewonnen werden?

Herkünfte für Praxisanbauversuche der Baumarten-Kategorie 2

Zielsetzung

Zur Verbesserung der Saatgutversorgung alternativer Baumarten fördert das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Projekt "Saatgut alternativer Baumarten für Bayern" durch Abordnung eines Forstbeamten an das AWG für die Dauer von zwei Jahren.

Während der Projektlaufzeit sind folgende Arbeiten geplant:

  • Aufbau von Kontakten zum Saatguthandel im In- und Ausland
  • Identifizierung und Markterkundung von geeigneten Saatgutquellen
  • Ernteerkundung und Durchführung kontrollierter Saatguternten im Ausland
  • Gewinnung von genetischen Proben für die Herkunftssicherung
  • Beschaffung von Versuchssaatgut ausgewählter Herkünfte und Verteilung in Bayern

Vorgehensweise

Um ein dichtes Netzwerk zur Saatgutbeschaffung aufbauen zu können, wurden Kontakte zu Forstbehörden, Saatguthändlern und Baumschulen in 12 europäischen Ländern aufgenommen. Zeitgleich wurde bei der Erzeugergemeinschaft für Qualitätsforstpflanzen »Süddeutschland« e.V. (EZG) und den Bayerischen Staatsforsten (BaySF) der geschätzte Bedarf an Saatgut für 24 Baumarten abgefragt.

Als Ergebnis der Abfrage 2021 zeichnete sich eine gesteigerte Nachfrage nach Saatgut für Edelkastanie, Atlas- und Libanonzeder sowie Baumhasel und Roteiche ab.


Aufgrund schlechter Fruktifikation vieler Baumarten im Herbst 2021 konnten begleitete Saatguternten nur für drei Baumarten organisiert werden: für die Edelkastanie in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Italien und in der Türkei, für die Atlaszeder in Frankreich sowie für die Libanonzeder in der Türkei.

Edelkastanienbestand_Türkei
Edelkastanie - Saatguternte in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg
Der Edelkastanie werden auf vielen Standorten in Bayern günstige Prognosen im Klimawandel attestiert. Für die Anlage eines Saatgutreservebestandes wurden in Rheinland-Pfalz drei Bestände, in Baden-Württemberg und Bayern je ein Bestand beerntet. Gleichzeitig wurden auch Blattproben zur genetischen Charakterisierung gewonnen. Da alle beernteten Bestände aus dem Herkunftsgebiet 808 02 stammen, kann das Vermehrungsgut zur Anlage des Saatgutreservebestandes verwendet werden.
ZüF-Ernte-Frankreich
Atlaszeder - Probelauf einer ZüF-Ernte in Frankreich
Nachdem die Atlaszeder im Rahmen des CorCed-Projekts bearbeitet wurde und geeignete Saatgutquellen in Frankreich identifiziert wurden, sollte im nächsten Schritt ein Probelauf einer Züf-Ernte durchgeführt werden, um die Herkunftssicherheit zu erhöhen. Nach intensiven Bemühungen konnte unter Beteiligung von AWG-Mitarbeitern Ende Oktober 2021 nördlich von Carcassonne der Probelauf durchgeführt werden. Das geerntete Saatgut wurde nach der Aufbereitung zum Kauf angeboten. Durch das AWG konnten erfolgreich 80 kg gereinigtes Saatgut an private und staatliche Baumschulen vermittelt werden.
Libanonzeder mit Zapfen
Libanonzeder und Edelkastanie in der Türkei
Ziele der Reise in die Türkei waren eine begleitete Ernte bei der Libanonzeder, die Erkundung und Beschreibung eines ausgewählten Erntebestandes der Edelkastanie sowie die Intensivierung der Kontakte zum Saatguthandel und zu Forstbehörden. Mit den türkischen Forstkollegen erfolgte ein reger Austausch über die Bedeutung der Saatguternte und das geplante Vorgehen sowie über andere für Bayern interessante Baumarten wie Türkische Tanne, Nordmanntanne, Baumhasel und Orientbuche. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der bayerischen Forstverwaltung ist grundsätzlich vorhanden.

Es waren jedoch mehrere Gespräche notwendig, um die anfängliche Skepsis gegenüber einer deutschen Behörde abzubauen.
Die Türkei verfolgt seit vielen Jahren große Aufforstungsprojekte und verwendet das Saatgut der Libanonzeder deshalb vorrangig für eigene Flächen.

Ausblick

Projekt-Hans
Alternative Baumarten und Herkünfte sind für Bayern zunehmend wichtig. Wie bei den heimischen Ernten ist es notwendig, dass auch bei den Auslandsernten die Herkunftssicherheit gewährleistet wird. Empfehlenswert ist Vermehrungsgut aus zugelassenen und geprüften Beständen und Samenplantagen. Für alle Beteiligten sollte das Vorgehen transparent sein und die Saatgutquellen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Herkunftssicherheit wäre, bereits bestehende Zertifizierungssysteme mit genetischen Analysen auch im Ausland anzuwenden.

Bei einzelnen Baumarten wurden solche Ernten bereits durchgeführt. Jedoch bedarf es weiterer Bemühungen, um dieses Vorgehen auf weitere Baumarten zu übertragen. Eine grundsätzliche Bereitschaft der Erntefirmen im Ausland zeichnet sich ab.

Nur wenn die Herkunftssicherheit gewährleistet ist, können die daraus gewonnenen Erkenntnisse genutzt werden und den Waldbesitzern dienen.

Vom Anbau potenzieller Alternativbaumarten unbekannter Herkunft wird grundsätzlich abgeraten. Dies gilt auch für den Anbau weiterer Alternativbaumarten im Rahmen von Praxisanbauversuchen (PAV) – auch hier sind geeignete Herkünfte und Saatgutquellen sowie die herkunftssichere Versorgung mit hochwertigem Vermehrungsgut zu berücksichtigen. Eine zuverlässige und dauerhafte Versorgung mit herkunftsgesichertem Saatgut aus dem Ausland setzt viele persönliche Gespräche und Bereisungen voraus. Der Waldumbau in Bayern kann von einer stärkeren Zusammenarbeit mit Fachleuten im In- und Ausland nur profitieren.

Um die Saatgutversorgung bei trockenheitstoleranten nichtheimischen Baumarten sicherzustellen, müssen die Kontakte nach Frankreich, Italien, in den Balkan und die Türkei weiter ausgebaut werden. Für das Erntejahr 2022/2023 ist geplant, Ernten bei verschiedenen Baumarten in allen genannten Ländern durchzuführen.

Weitere Informationen

Projektverantwortlich am AWG
Dr. Muhidin Seho
E-Mail: poststelle@awg.bayern.de

Projektmitarbeiter am AWG
Johann Geiger
E-Mail: poststelle@awg.bayern.de

Download

Johann Geiger, Ralph Jenner, Muhidin Seho: Saatgut alternativer Baumarten für Bayern: LWF aktuell 3/2022

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