Erbgut der Weißtanne geknackt
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum - Das Genom der Tanne ist entschlüsselt!

Das enorm große Erbgut der Weißtanne ist von einem internationalen Forscherteam unter Beteiligung des AWG entschlüsselt worden.

"Mit der Genomsequenz stellen wir ein Werkzeug zur Verfügung, um das genetische Potential unserer heimischen Tannenwälder abschätzen zu können" erklärt Koautorin Dr. Barbara Fussi vom AWG. "Gene und ihre Funktionen können damit besser verstanden und Eigenschaften von Bäumen bereits im Jugendstadium erkannt werden".

Die Entschlüsselung des Genoms der Weißtanne hilft dabei, diese gegen Trockenheit gewappnete Baumart besser zu erforschen.

Wie ein riesiges Puzzlespiel

Baumstamm der Weißtanne mit hellblauen Buchstaben und

Foto: Christian Rellstab/WSL, erstmals sequenzierte Tanne in Birmensdorf/Schweiz

Von einer Schweizer Tanne stammen die Samen und Nadeln für das erste entschlüsselte Weißtannen-Genom, also ihr vollständiges Erbgut. Die heimische Tanne ist weltweit erst die sechste Nadelbaumart, von der die Genomsequenz bekannt ist – keine geringe Herausforderung, da Nadelbäume ein enorm großes Erbgut mit vielen sich wiederholenden, ähnlichen DNA-Abschnitten besitzen. Das machte die Sequenzierung zu einem Kraftakt, der nur dank internationaler Zusammenarbeit möglich war. Insgesamt entzifferte das Forschungsteam 18 Milliarden Basenpaare – die einzelnen Bausteine der Erbsubstanz. Das sind sechsmal mehr als im menschlichen Genom vorkommen.

Es ist wie ein riesiges Puzzle, das man ohne Vorlage zusammensetzt. Jene Teile des Erbguts, die Gene zur Herstellung von Eiweißen mit bestimmten Funktionen beinhalten, sind gut beschrieben. Dazwischen liegen aber zu einem großen Teil sich wiederholende Abfolgen von Basenpaaren. Um aus diesen Puzzleteilen ein Gesamtbild zu arrangieren, kommt noch viel Arbeit auf die Forscher zu.

Die "richtige" Tanne für Klimawandel und Christbaum

Für jeden Standort soll die richtige Tanne gefunden werden. Der Aufwand lohnt sich, denn ein entschlüsseltes Genom hilft dabei, die genetische Vielfalt innerhalb der Art zu verstehen, um beispielsweise zu beantworten, welche Bäume an welchen Standorten besonders gut gedeihen. Darüber hinaus haben Christbaum-Züchter ein Interesse daran, Bäume mit Eigenschaften wie zum Beispiel die lange Haltbarkeit der Nadeln auszuwählen. Mit einem Blick auf die Gene kann man dies bereits an Jungpflanzen erkennen und muss sie nicht erst einige Jahre wachsen lassen. Das geht deutlich schneller als mit aufwändigen und langwierigen Pflanzversuchen.

Wachsende Bedeutung bekommt die Art heute im Waldbau als Folge des Klimawandels. Die Tanne wird in einem wärmeren und trockeneren Klima voraussichtlich besser gedeihen als die wirtschaftlich bedeutsamen Fichten und Buchen. Die Forstpraxis richtet ihre Waldbaustrategie vielerorts bereits darauf aus, gleichförmige Fichtenbestände in Mischbestände aus Fichte, Tanne und Buche zu überführen. Bisher war die Weißtanne ihnen gegenüber im Nachteil, weil junge Triebe den Rehen außerordentlich gut schmecken. Da die Rehbestände mangels natürlicher Feinde stark zunehmen, müssen Jungtannen oft durch Zäune oder Plastikhüllen geschützt werden.

Die teure und aufwändige Hege der Weißtanne lohnt sich eher, wenn Förster dank Erbgutanalysen die optimalen Bäume für den geplanten Standort auswählen können.
Somit ist die Entschlüsselung des Giga-Genoms der Weißtanne ein erster Schritt und Grundlage von zukünftiger intensiver Forschung in Richtung anpassungsrelevanter Genmarker bei Tanne und eine Investition für eine wichtige Waldbaumart der Zukunft und damit für eine nachhaltige Waldwirtschaft.
Weißtanne_Bayerische Alpen_1

Foto: Darius Kavaliauskas/AWG Teisendorf

A reference genome sequence for the European silver fir (Abies alba Mill.): a community resource in support of climate change research
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